Wild Berry Lillet, Krawall und Remmidemmi – MAMAGEHTTANZEN

Freitagabend, 19:30 Uhr

Meine beste Freundin und ich sind unterwegs Richtung Wuppertal-Barmen. Ich habe mich sogar geschminkt, was in den letzten Jahren ziemlich selten vorgekommen ist. Meine beste Freundin hat mir kurz vorher erzählt, dass sie am Nachmittag nur ein kleines Zeitfenster frei hatte. Die Entscheidung zwischen Nickerchen und Schminke fiel 1:0 für ersteres aus. Alles kann, nix muss heute Abend.

Vor Ort treffen wir noch zwei weitere Mamas. Eigentlich wären wir zu fünft gewesen, doch Nummer 5 musste leider kurzfristig absagen: Kind krank. Mit einem mitfühlenden „Oh Mensch wie schade!“ gedenken wir der Zurückgebliebenen. Dann zeigen wir der schwangeren Veranstalterin am Eingang unsere Tickets und los geht’s.

20:05 Uhr

Drinnen angekommen bedienen wir uns erstmal am Gratisschnaps (top: mit und ohne Alkohol vorhanden), an dem wir zwangsläufig vorbeikommen. Runter damit und, puh, schnell an die Bar und was zum Nachspülen besorgen. Nachdem wir bestellt haben, ist Zeit, sich umzuschauen. Wahnsinn. So viele schöne Frauen! Meine beste Freundin bemerkt „Es hält offensichtlich niemand hier für notwendig ein tiefes Dekolleté zu zeigen“. Und wirklich, wohin ich auch sehe, sehe ich überall Frauen, die sich – jede auf ihre Art – für diesen Abend schick gemacht haben und vor Freude strahlen. Aber nirgendwo finde ich eindeutig betonte Körperrundungen. Hier geht es einfach um was anderes. Da besiegt im Zweifel auch ein Nickerchen das Make-up.

Nach ein paar kurzen Unterhaltungen geht es für uns vier auf die Tanzfläche. Immerhin haben wir ja nur drei Stunden! Keine Zeit verlieren.

Für mich ist es bereits meine dritte „MAMAGEHTTANZEN“-Veranstaltung und ich weiß noch, wie ich beim ersten Mal auf der Tanzfläche stand und dachte, `irgendwas ist anders als früher im Club´. Klar, ich bin heute älter und hier sind nur Frauen anwesend, aber das meine ich nicht. Es ist der Sound. Irgendwas hört sich anders an. Über der Musik, die noch nicht zu ihrer vollen Lautstärke aufgedreht ist, liegt ein Teppich. Ein Teppich aus Gesprächsfetzen. Alle Frauen auf der Tanzfläche sind zwar schon dabei, sich langsam aber sicher warm zu schockeln, aber alle hier scheinen sich dabei zu unterhalten. Die Mamas haben offensichtlich einen erhöhten Redebedarf und lassen sich das Gespräch mit ihren Besten auch von der Musik nicht nehmen. Ein Schmunzeln streift meine Lippen und ich fühle mich zum ersten Mal an diesem Abend verbunden mit allen. I feel it: Die Freundinnen sieht man einfach viel zu selten, seit Kinder da sind. Und wenn man sich dann endlich wiedersieht, muss erstmal ganz schön was erzählt werden. Zeit und Raum sind dabei Nebensache.

20:30h

Die Musik wird lauter, die Gespräche ebben ab, das Transpirationslevel steigt. Wohin ich auch schaue, glückliche Gesichter. Das Tanzen tut gut. Die Mädels um sich zu haben tut gut. Laut mitsingen tut gut. Wild Berry Lillet tut gut. Nicht darauf achten zu müssen, wo man sein Getränk abstellt, tut gut.

21:00h

Eine Mama, die zum ersten Mal mit dabei ist, strahlt mich an und sagt „Boah ist das schön, erinnert mich total an die Atmosphäre bei deinem Workshop, soviel Frauenpower, alle sind auf Augenhöhe, alle wollen einfach nur diese Auszeit genießen und eine gute Zeit zusammen haben.“ Ich weiß genau, was sie meint. Hier ist niemand, dem wir gefallen wollen und den wir mit reizvollen Tanzmoves (und einem tiefen Dekolleté) beeindrucken müssen. Aber auch niemand, der uns zu nahekommt, kein angetrunkener Antänzer, der sein Glück versucht. Ebenso ist hier kein Kind, das nach uns ruft und dessen Bedürfnisse nur von Mama erfüllt werden können. Kein Haushalt, keine Arbeit, keine Aufgaben, keine Ansprüche, nichts. Nur wir. Für diese drei Stunden ist das hier unser Safe Place. Wir sind jung, wir sind frei, wir sind leicht. Wir sind wir.

21:45h

Die Atmosphäre des Abends wirkt immer mehr. Ich liebe es, wie hier miteinander umgegangen wird. Eine kämpft sich mit den Händen voller Getränke über die Tanzfläche, alle machen ihr selbstverständlich Platz. Meine Tanznachbarin tritt mir auf den Fuß und entschuldigt sich sofort total lieb. Ein paar anderen geht ein Glas kaputt und meine Freundin hilft mit, die Scherben von der Tanzfläche zu bugsieren, während eine zweite Frau Richtung Theke verschwindet, um entsprechendes Kehrwerkzeug zu besorgen. Ich denke „Wenn Mamas regieren würden, würde es vermutlich nie wieder Krieg geben und logistisch würde alles einwandfrei laufen. Alles. Bestimmt.“ Und mit einem Mal fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Alle Chuck Norris Sprüche müssen umgedichtet werden, denn es gibt eine Person, die noch krasser ist als Chuck Norris: Seine Mutter.

Ich liebe alle Mamas dieser Welt.

Ich liebe vor allem die beiden Veranstalterinnen Anna und Andrea für diese grandiose, lebensbereichernde Idee. Ich liebe Papagehtauflegen für sein Händchen, den richtigen Song zur richtigen Zeit zu spielen und dass er immer rechtzeitig die Musik leiser macht, damit wir mit Engelsstimmen „Friendship never ends“ aus voller Seele mitbrüllen können, so dass die Wände des Clubs vibrieren. Ich liebe das Leben.

22:30h

Der Saal brodelt. Wir tanzen nicht einfach zu den Songs, wir SIND die Songs. Jeder einzelne. Wir sind der Chor, durch den jede Textzeile zum Leben erwacht. Wir fühlen und durchleben jede Emotion, die in den Liedern steckt. Eben noch liebend und leidend bei Robbies „Angels“, schütteln wir bald schon wieder fröhlich und frei den Speck, werden zum leicht bekleideten, „Dirty“ Background-Girl im Gangsta Videoclip und lassen eine ordentliche Ladung Wut raus („Ohohoh Arschloch!“). Dann crashen wir unser car into the bridge und sehen zu, wie es brennt. We don`t care! We love it!

Wir sind nicht mehr nur Mama, Ehefrau, Partnerin, und vor allem, wir sind nicht allein. Wir sind Schwestern. Wir sind ein großer Raum voller glücklicher `90-bitches.

23:05h

Nach drei Stunden katharsischem Tanzrausch, applaudieren wir schweißgebadet, erschöpft – die eine mehr, die andere weniger berauscht – aber jede vollkommen glücklich, in Richtung DJ-Pult, wo zwei Frauen und ein Mann uns zurückapplaudieren.

Beseelt gehen wir nach draußen. Meine beste Freundin und ich fahren mit dem Bus zum Hauptbahnhof, holen uns dort eine Pizza, essen sie an der Haltestelle und nehmen dann den Nachtexpress nach Hause. Sie schläft bei mir. „Genau wie früher, voll schön“.

Ich falle schließlich ins Bett und bin stolz. Stolz darauf, dass es Mamas waren, die diese perfekte Veranstaltung ins Leben gerufen haben. Stolz auf jede Mama, die dort war und damit für sich selbst gesorgt hat. Die dafür gesorgt hat, dass ihre Tanks sich auffüllen, dass ihre Energie aufgeladen wird, damit sie in ein paar Stunden zurückkehren kann, zu dem Leben, dass sie führt, wie auch immer das aussehen mag. Aber diesmal mit mehr Power, entspannter, leichter, glücklicher. Bereichernd für alle, die Teil dieses Lebens sind. Ich bin stolz auf mich. Stolz eine von diesen Mamas zu sein.

Mit 300 weiblichen Stimmen im Ohr, die „Yippie yippie yay, yippie yay, Krawall und Remmidemmi“ schmettern, schlafe ich schließlich ein.

Es wurde echt Zeit, dass es diese Veranstaltung für uns gibt. Wir haben das verdient!

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