Dann umarme mich doch!

Der kleine feine Unterschied, den Achtsamkeit im Umgang mit deinen Kindern ausmacht.

Vor kurzem kam ich in eine mir sehr unangenehme Situation. Mein Sohn (3,5J) hatte bei der Oma geschlafen und ich kam am nächsten Nachmittag, um ihn abzuholen. Es war noch Besuch zum Waffeln essen da und mein Sohn begrüßte mich freudig. Kurz darauf veränderte sich sein Verhalten jedoch abrupt. Er fing an, mir immer wieder gegen die Beine zu hauen. Während ich mit meiner Mutter noch Einzelheiten besprach und mich darüber austauschte, wie die Nacht und der Tag gewesen war, machte mein Sohn immer weiter. Es war klar, dass es ihm um meine Aufmerksamkeit ging, und ich unterbrach das Gespräch mehrere Male, um zu ihm Kontakt aufzunehmen und ihn zu bitten, mit dem Hauen aufzuhören. Vergeblich. Er machte immer weiter und grinste dabei sogar. Ich fing an wütend zu werden, meine Stimme wurde lauter, mein Bitten strenger. Dann schließlich gelang es mir aber mit Hilfe einer kleinen Zentrierung die Situation zu entschärfen. Ich kniete mich zu meinem Sohn runter, sah ihm in die Augen und sagte „Ich möchte nicht, dass du mich haust. Wenn Du Körperkontakt willst, kannst du mich stattdessen umarmen“. Was passierte dann? Er fiel mir erleichtert um den Hals und drückte mich ganz fest.

Und was das Ganze mit Achtsamkeit zu tun hat, erkläre ich dir jetzt:

In dieser Situation fühlte ich mich sehr unwohl. Ich wollte gerne mit meiner Mutter besprechen, wie es ihr und dem Kurzen ergangen war, ob alles gut gelaufen ist. Während wir miteinander sprachen, versuchte mein Sohn, die Aufmerksamkeit durch permanentes Hauen auf sich zu ziehen, jegliche freundliche und sachliche Kontaktaufnahme meinerseits blieb erfolglos. Es waren noch weitere Personen im Raum, die das Geschehen beobachteten. Ich spürte, wie der Druck in mir wuchs und die Situation mir von Minute zu Minute unangenehmer wurde. Das innere Muster „was sollen denn die anderen denken“ sprang an und begann wie ein Karussell aus Gedanken und Gefühlen immer weiter Fahrt aufzunehmen. Ich wurde ungehaltener und hatte das Gefühl, dass mir die Situation langsam, aber sicher entglitt….

Und jetzt kommt die Achtsamkeit ins Spiel:

Ich war in der Lage, mir dieses Gefühl bewusst zu machen und zu erkennen, was da gerade passierte. Nämlich, dass die Situation in eine ganz falsche Richtung zu laufen begann. Mir wurde klar, was eigentlich gerade wirklich wichtig war: Mich in diesem Moment ausschließlich auf meine und die Bedürfnisse meines Sohnes zu konzentrieren, der noch zu jung ist, diese in ihrer Klarheit zu erfassen und zu kommunizieren. Nur hier befand sich das Zentrum für eine authentische, angemessene Lösungsfindung. Nicht irgendwo im außen, bei den Personen, die vielleicht irgendetwas Bewertendes denken könnten. Ich folgte diesem Impuls und schaffte es genau zu erkennen und zu benennen, was das dringende akute Bedürfnis meines Sohnes in diesem Moment war: Körperkontakt mit der Mama bei deren Wiedersehen er so von seinen Gefühlen überwältigt wurde, dass er meine Unterstützung dabei brauchte, ein geeignetes Ventil dafür zu finden.

Achtsamkeit bedeutet, in der Lage zu sein, auf einen Reiz nicht mit einer unbedachten, von alten Mustern und dem Ego gesteuerten Reaktion zu reagieren, sondern die Freiheit zu haben, sich bewusst zu entscheiden.

Ich bin (häufig 😉) in der Lage, in den kurzen Moment zwischen Reiz und Reaktion Ruhe zu bringen, um mich, die Situation und mein Gegenüber beobachten zu können und bemerken zu können, was gerade wirklich passiert. Dadurch bin ich meinen Impulsen nicht ausgeliefert, sondern entscheide mich ganz bewusst für eine Reaktion. Ich und mein Gegenüber werden nicht zum Opfer meiner Reaktion und ihrer Auswirkung, sondern ich bleibe handlungsfähig und behalte das Steuer in der Hand.

Achtsamkeit bedeutet (leider 😉) nicht, dass ich immer zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Einfälle habe, um gekonnt jede Situation zu entschärfen. Aber seit ich regelmäßig Achtsamkeits- und Meditationsroutinen in meinem Alltag praktiziere, bemerke ich immer mehr und immer häufiger, wie positiv die Auswirkungen auf mich UND mein Umfeld sind, wenn es mir gelingt, mich von auferlegten und anerzogenen Zwängen und Glaubenssätzen freizumachen und stattdessen eine achtsame Haltung mir und meinen Bedürfnissen gegenüber einzunehmen. Deshalb finde ich die Praxis von Achtsamkeit gerade für den Umgang mit unseren Kindern so wichtig und hilfreich und teile diese Erfahrung so gern mit dir.

Wenn Du dazu Fragen hast, oder Du Dir Unterstützung bei der Umsetzung von Achtsamkeit in Deinem Alltag wünschst, melde Dich gern.