„Ich dachte, ich hätte alles im Griff“
Mein Weg zur (un)perfekten Mutter
Kennst Du das? So oft hat man als Mama das Gefühl „Ich schaff das alles nicht, ich werde niemandem gerecht, ich bin einfach nicht gut genug. Die anderen kriegen das doch auch hin und backen am Ende des Tages, wenn ich schon paralysiert auf der Couch liege noch lächelnd Blaubeermuffins aus Dinkelmehl.“
Nach fast vier Jahren Erfahrung kann ich sagen, ich habe mich größtenteils befreit, von dem Vergleich mit anderen. Und davon, es allen recht machen zu wollen. Mir ist wichtig, dass die Bedürfnisse des Rudels erfüllt sind, zumindest weitestgehend. Dass die Eltern dabei diejenigen sind, die zuerst zurückstecken müssen, ist mir auch inzwischen deutlich klar (und wird mir täglich immer klarer). Um die Anflüge von Wahnsinn durchzustehen, die manche Tage durch Schlafmangel, Autonomiephasen und kugelschreiberbeschmierte Sofas mit sich bringen hilft es mir, gut im Kontakt mit meinen Bedürfnissen und Werten zu sein.
Dahin zu kommen, war ein ganz schön intensiver Prozess und richtig, er hat viel mit Achtsamkeit zu tun 😉.
Davon, wie sehr sich meine Selbsteinschätzung als Mama im Laufe dieser knappen vier Jahre verändert hat, möchte ich hier berichten.
Als ich schwanger war, war ich mir sehr sicher darüber, dass ich eine natürliche Geburt möchte. Als das Baby da war (nach unfreiwillig geplantem Kaiserschnitt) war ich mir sicher, dass ich mit Stoffwindeln wickeln möchte. Ich war mir sicher, dass mein Sohn kein laufendes Fernsehgerät vor seinem 3. Geburtstag sehen würde (und auch kein anderes Multimediagerät). Ich war mir sicher, dass er keinen Zucker bekommen würde, dass er in einen Waldorfkindergarten gehen wird, dass ich niemals, wirklich niemals diese bunten Pulver in noch bunteren umweltunfreundlichen Verpackungen kaufen werde, die das Badewasser bunt und sprudelig machen. Ich war mir über vieles so sicher! Ich dachte, ich hätte alles im Griff.
Das änderte sich schnell. Die Situationen, in denen mir das Gegenteil bewusst wurde, häuften sich. Und schließlich ist mir klar geworden, dass ich gar nicht alles im Griff haben KONNTE, dass es mir niemals gelingen würde, perfekt zu sein. Weder als Mutter noch in sonst einer Rolle. Und dass das Ok ist.
Einer der schönsten Momente dieser Art war folgender:
Mein Sohn (ca. ein dreiviertel Jahr alt) und ich saßen zusammen auf dem Wohnzimmerboden und schauten uns ein neues Buch an. In dem Buch gab es viele Tiere. Ich zeigte auf die Tiere, sagte wie sie heißen und machte vor, welche Geräusche sie machen. Mein Sohn freute sich sehr und begann, selbst auf die Tiere zu zeigen. Wir hatten sehr viel Spaß, bis er plötzlich umblätterte, auf das nächste Tier zeigte und mich fragend ansah. Er konnte noch nicht sprechen, aber in meinem Schädel hämmerte die von ihm mit zuckersüß neugieriger Stimme gestellte Frage: „Mama, und wie macht die Giraffe?“
Da saß ich. Und wusste nicht, wie die Giraffe macht.
Und ich dachte, ich wäre vorbereitet.
Aber die Sache ist eben, dass man sich auf dieses größte aller Abenteuer nicht vorbereiten kann. Keine Chance. Never ever. Das macht es anstrengend, herausfordernd, und besonders. Zum Glück auch besonders schön. Ich habe noch nie in meinem Leben so viel gelernt, wie seit ich Mama bin. Ich bin noch nie im Leben so oft gescheitert und wieder aufgestanden. Ich bin noch nie an etwas so gewachsen. Und es sind noch nicht mal ganz vier Jahre.
Ich schreibe das, weil ich es wichtig finde, nicht den Mut zu verlieren. Weil es so viele Momente gibt, in denen ich – und ich weiß, Dir geht es auch so – kurz davor war und bin, den Mut zu verlieren. Weil es aber genau in diesen Momenten, in denen ich kurz davor bin zu verzweifeln passiert, dass mein Sohn sich mit seinem Teddy im Arm an mich schmiegt und sagt: „Aber Mama, der Bär und ich sind doch immer für Dich da“. Und ich weiß, dass kann er nur sagen, weil er genau das erfährt. Dass jemand immer für ihn da ist. Und in diesen Momenten weiß ich auch, ich bin genug. Wir sind genug. Wir sind die perfekte Unperfektheit.
**Klugscheißer-Mama-Wissen: Giraffen machen übrigens gar nicht. Beziehungsweise nicht so, dass wir Menschen sie hören können. Sie kommunizieren wie auch Elefanten und Blauwale im Infraschallbereich. Nur junge Tiere geben manchmal eine Art blöken von sich.
Jetzt könnt ihr in der nächsten PEKiP Runde mal so richtig angeben.