Ich bin im Einklang mit mir selbst, Du A****!

Von alltagstauglicher Achtsamkeit.

Wenn Du versuchst Achtsamkeit zu praktizieren oder in Deinem Leben zu etablieren dann ist es wichtig daran zu denken, dass Du keine buddhistische Nonne bist, die außerhalb der Gesellschaft in einem Kloster lebt. Deine Lebenssituation ist eine ganz andere. Ich teile immer wieder gerne Beiträge von Thich Nhat Hanh oder von Jon Kabat-Zinn und stehe sehr hinter ihren Worten und ihrer Lehre. Und obwohl ich mein Leben nicht mit dem Leben der beiden vergleichen kann, kann ich deren Ideen trotzdem auf mein Leben anwenden.

Für mich ist dabei wichtig, mir mein Verständnis von Achtsamkeit immer wieder bewusst zu machen. Nämlich, dass Achtsamkeit eben nicht bedeutet, dass ich die ganze Zeit sanft lächelnd durch die Gegend laufe, alles friedlich und fröhlich finde und permanent Licht und Liebe ausatme. Achtsamkeit bedeutet für mich vor allem im Hier und Jetzt zu sein und nicht irgendwo in der Zukunft oder der Vergangenheit und bei dem, was noch erledigt werden muss oder bei dem, was meine Chefin letzte Woche zu mir gesagt hat.

Es bedeutet bei mir zu sein, mich und meine Gefühle anzunehmen. Und zwar vor allem die Gefühle, die ich mir eigentlich nicht erlauben möchte.

Der Trick ist, es zu schaffen, diese Emotionen und Verhaltensmuster nicht zu bewerten. Zum Beispiel eben nicht zu denken „Mist, jetzt hab ich total lang geschlafen. Klar wollte ich mich ausruhen, aber jetzt bin ich eigentlich noch müder als vorher, ich schaffe es einfach nicht, gut für mich zu sorgen.“ Oder „Ich fühle mich heute Morgen überhaupt nicht ausgeglichen und mein Kind treibt mich gerade zur Weißglut. Ich bin eine schlechte Mutter.“ Sondern stattdessen zu denken: „Ich habe länger geschlafen, als ich geplant hatte. Punkt.“ „Ich bin unausgeglichen und deshalb reizbar. Punkt.“ Das ist jetzt so. Ganz ohne gut oder schlecht.

Und es bedarf wirklich viel Übung, diese Vogelperspektive auf sich selbst und seine eigenen Gefühle und Gedanken zu bekommen. Wenn Du das schaffst und es Dir gelingt, Dich selbst zu beobachten, ohne Dich zu bewerten, hast Du einen großen Schritt in Richtung Achtsamkeit im Alltag geschafft. Übrigens gilt natürlich auch folgendes:

„Ich schaffe es heute einfach nicht, meine Gefühle urteilsfrei anzunehmen und mit meinen Gedanken bei mir zu bleiben, weil mich zu viel aufwühlt. PUNKT!“ Dann ist das so. Auch das ist Achtsamkeit. 😉

Es geht eben darum eine urteilsfreie, aber wohlwollende Art der Selbstbetrachtung zu üben. Denn die ist der erste Schritt in Richtung Veränderung.

Der zweite Schritt ist, sich klarzumachen: was auch immer passiert und was auch immer gerade mit mir los ist, ich bin in der Lage, angemessen damit umzugehen. Ich bleibe handlungsfähig und bin nicht das Opfer meiner Gedanken oder Gefühle. Ich verliere mich nicht in Selbstvorwürfen und lasse die dann noch an meinen Mitmenschen aus. Stattdessen kann ich in diesen Momenten eine Entscheidung treffen. Zum Beispiel “Ok, in mir kommt gerade eine ganz ordentliche Wut hoch. Jetzt ist die Situation aber so, dass ich hier mit meinem Kind zusammen bin und ich möchte diese Wut auf keinen Fall an meinem Kind auslassen, also was kann ich tun, wie kann ich jetzt damit umgehen?“

In solchen Situationen einen angemessenen Umgang zu finden, ist oft nicht leicht, kann aber ebenfalls geübt werden. Die Voraussetzung dafür ist eine gute Selbstbeobachtung (siehe oben).

Und das ist auch nichts, was Du allein schaffen musst. Dafür kannst du Dir Hilfe suchen. Manchmal reicht es ein Buch oder einen Artikel zum Thema zu lesen, oder sich mit Freundinnen auszutauschen, die von ähnlichen Themen bewegt werden, Du kannst einen Kurs oder ein Seminar dazu besuchen, oder wenn Du Dich zu sehr überfordert und allein damit fühlst, kannst Du Dir auch therapeutische Unterstützung suchen.

Das Ziel dabei ist es, aus dem Hamsterrad des „Ich muss dies tun, ich muss so sein“ herauszukommen,

hin zu „ich bin, und zwar jetzt und hier und vielleicht fühle ich mich gerade glücklich oder aufgeregt oder wütend, aber ich bin in der Lage damit umzugehen und gerade deshalb bin ich voll im Einklang mit mir selbst. Und mit meiner Wut.“ 😊